Ernährung
Zucker und Krebserkrankungen: Ein überraschender Zusammenhang, oder eine 50 Jahre lange Vertuschung von Fakten?
Kann Zucker Krebs verursachen? Es scheint, dass Beweise dafür bereits vor fast 50 Jahren in einer von der Zuckerindustrie finanzierten Studie entdeckt wurden – doch die Arbeit ist nie veröffentlicht worden.
Ein von der Industrie finanziertes Forschungsprojekt hatte bei Ratten, die eine Ernährung mit hohem Zuckergehalt zu sich nahmen, höhere Konzentrationen eines krebserregenden Enzyms festgestellt.
Wohl die meisten von uns schätzen den gelegentlichen süßen Leckerbissen. Aber wir alle wissen auch, dass große Mengen Zucker nicht gut für unsere Gesundheit sind. Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien, die Zusammenhänge zwischen Zucker einerseits und Diabetes, Herzkrankheiten und sogar der psychischen Gesundheit andererseits belegen.
Krebs kam erst vor relativ kurzer Zeit zu diesem Erkrankungsmix hinzu. Im vergangenen Jahr berichtete Medical News Today über eine Studie, die ergab, dass mehr als die Hälfte der Mäuse, die eine stark zuckerhaltige Ernährungsweise erhielten, an Brustkrebs erkrankten.
Ein soeben in der Zeitschrift PLOS Biology veröffentlichter Artikel zitiert zudem interne Dokumente der Sugar Research Foundation (SRF) [Stiftung für Zuckerforschung], die darauf hinweisen, dass das Wissen über einen möglichen Zusammenhang zwischen Zucker und Krebs bis in die 1960er Jahre zurückreicht.
Ist das lange Zeit vertuscht worden? Und welche Beweise gibt es dafür, dass der eine oder andere Donut Krebs bei mir auslöst?
Zucker und das Mikrobiom: ‘Projekt 259’
In den 1960er Jahren drehte sich die Debatte um Herzkrankheiten. Wer ist der Täter: Zucker oder Fett?
Ein Bewertungsbericht aus dem Jahr 1967 im New England Journal of Medicin kam zu dem Schluss, dass die Schuld bei den Nahrungsfetten lag. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch nicht klar, dass die Autoren für die Veröffentlichung ihrer Rezension von der SRF Mittel in Höhe von etwa 50.000 US-Dollar erhalten hatten.
Die Offenlegung von Interessenkonflikten war bis in die 1980er Jahre hinein nicht obligatorisch. Technisch gesehen war dies also nicht falsch. Aber es war der Grundstein für weitere geheim gehaltene Forschung, die folgen sollte.
Die Überprüfung ergab, dass Ratten, die stark zuckerhaltig gefüttert wurden, höhere Serumcholesterinspiegel aufwiesen als Ratten, die eine Ernährung auf Stärkebasis erhielten. Die Autoren spekulierten, dass Darmbakterien dafür verantwortlich seien.
Und so entstand 1968 das ‘Projekt 259’. Dies war eine Studie zum Vergleich der “ernährungsphysiologischen Wirkungen von [bakteriellen] Organismen im Darmtrakt” bei Ratten, die mit Saccharose gefüttert wurden, mit Ratten einer Vergleichsgruppe, die mit Stärke ernährt wurden.
Ein beträchtlicher Finanzierungsbeitrag – in heutiger Währung über 185.000 US-Dollar entsprechend – ging seinerzeit an W.F.R. Pover vom Institut für klinische Biochemie der Universität von Birmingham in Großbritannien, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.
Stanton A. Glantz ist der leitende Autor des in der Zeitschrift PLOS Biology veröffentlichten Papiers und Professor an der Universität von Kalifornien in San Francisco.
Er zitiert einen SRF-internen Bericht, der erklärt, dass “Beobachtungen [im Project 259] lauteten, […] dass der Urin von Ratten mit der Basisernährungsweise einen Hemmstoff der Beta-Glucuronidase-Aktivität in einer Menge enthielt, die größer ist als bei den mit Zucker gefütterten Tieren. Dies ist einer der ersten Nachweise für einen biologischen Unterschied zwischen mit Zucker und mit Stärke gefütterten Versuchsratten.”
Es gab also einen Unterschied. Doch was hat das mit Krebs zu tun?
Beta-Glucuronidase und Krebs
Beta-Glucuronidase ist ein Enzym, das hilft, große Moleküle abzubauen. Es spielt auch eine Rolle beim Entstehen von Krebserkrankungen. Zum Zeitpunkt des Projekts 259 wurde bereits ein Zusammenhang zwischen Beta-Glucuronidase und Blasenkrebs vermutet.
Natürlich waren die Ergebnisse von Pover nur vorläufig, und er war hinter dem Zeitplan für die Beendigung seiner Arbeit zurückgeblieben. Als er um eine dreimonatige Verlängerung zum Abschluss seiner Experimente bat, stoppte der SRF – die zwischenzeitlich zur International Sugar Research Foundation (ISRF) [Internationale Stiftung für Zuckerforschung] geworden war – die Finanzierung.
“Basierend auf der Interpretation der vorläufigen Ergebnisse durch die ISRF”, so erklärt Prof. Glantz, “wäre eine Ausweitung der Finanzierung durch das Projekt 259 für die kommerziellen Interessen der Zuckerindustrie ungünstig gewesen.”
“Darüber hinaus”, so fährt er fort, “hätte die Veröffentlichung von Ergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen Saccharose-Konsum und Blasenkrebs nahe legen, wahrscheinlich weitere nachteilige regulatorische Auswirkungen auf die Zuckerindustrie gehabt.”
Er vermutet, dass die Food and Drug Administration (FDA) [US Gesundheitsbehörde] einen genauen Blick auf Zucker und seinen möglichen Zusammenhang mit Krebs geworfen haben wird.
“Hätte die ISRF die Ergebnisse von Projekt 259 veröffentlicht, wäre Zucker wahrscheinlich als potenziell krebserregend eingestuft worden.” Prof. Stanton Glantz
In einer Pressemitteilung erläuterte die Sugar Association – ein US-amerikanischer Handelsverband – ihren eigenen Standpunkt dazu, warum die Studie seinerzeit nicht vollständig finanziert wurde. “Die Durchführung der Studie war zeitlich erheblich verzögert; sie lag folglich über dem Budget. Die Verzögerung überschnitt sich mit einer organisatorischen Umstrukturierung […].”
Ob die ISRF die Ergebnisse der Studie absichtlich zurückgehalten hat, ist schwer mit Gewissheit zu sagen. Die Beweise für einen Zusammengang zwischen Zucker und Krebserkrankungen nehmen jedoch zu.
Zucker und Krebs heute
Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke werden zunehmend auf ihre Rolle bei der Förderung der Entstehung und der Ausbreitung von Krebs untersucht.
In einem Leitartikel in der Zeitschrift Nutrition hob Dr. Undurti N. Das die Tatsache hervor, dass Fructose, ein Bestandteil von Tischzucker oder Saccharose, den Zellstoffwechsel verändert und die Aktivität krebsfördernder Proteine erhöht.
In einem begleitenden Artikel stimmen Dr. Ashutosh Kumar und seine Kollegen von der Abteilung für Pharmakologie und Toxikologie des Nationalen Instituts für pharmazeutische Ausbildung und Forschung in Hyderabad in Indien mit dieser Einschätzung überein.
Aber Kumar betont auch, dass “es viele veröffentlichte Berichte mit widersprüchlichen Ergebnissen in Bezug auf die Rolle von Kohlenhydraten (insbesondere Fructose) und der Ausbreitung von Krebs gibt.”
So haben beispielsweise mehrere Studien ein erhöhtes Risiko für Gebärmutterschleimhautkrebs bei Frauen mit hohem Saccharosegehalt festgestellt. Bei anderen Krebsarten sind die Daten jedoch weniger eindeutig.
Während einige Studien – insbesondere bei Männern – einen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Darmkrebs hergestellt haben, konnte in einer Studie aus dem Jahr 2014 kein eindeutiger Zusammenhang festgestellt werden.
Wie zuvor erwähnt, haben wir bereits über eine Studie berichtet, die ergab, dass Saccharose die Brustkrebsraten erhöht. Über die Hälfte der Mäuse, die saccharosereich gefüttert wurden, entwickelten Brustkrebs, während das nur bei 30 Prozent der Mäuse, die eine stärkebasierte Ernährung konsumierten, der Fall war. Während eine Reihe von Untersuchungen dieser Feststellung zustimmen, widersprechen andere einem solchen Zusammenhang.
Ob und wie Zucker zu den vielen verschiedenen Krebsarten beiträgt, von denen die Menschheit heutzutage heimgesucht wird, ist derzeit nicht ganz klar. Vielleicht sollten wir alle unseren Zuckerkonsum senken.
Die Frage ist, wie einfach es ist, der süßen Versuchung des Zuckers zu entkommen.
Zucker lauert überall
Es ist naheliegend, dass süß schmeckende Speisen und Getränke Zucker enthalten. Versteckte Zucker werden jedoch zunehmend in einer Fülle von Lebensmitteln aufgedeckt – es gibt kein Entrinnen vor dem Zeug.
Zur Überraschung stellte der Autor letzte Woche fest, dass Zucker in einem Glas mit gerösteten Paprikaschoten im Supermarkt als eine der Zutaten aufgeführt war. Hätten kritische Augen dies nicht entdeckt, wäre der gesunde Salat rasch alles andere als das geworden.
Zucker gelangt als Fruchtsaftkonzentrat also auch versteckt in unser Essen.
Was hat das nun alles zu bedeuten? Es gibt eindeutig viele Beweise dafür, dass zu viel Zucker schlecht für unsere Gesundheit ist. Ob wir uns auf von der Industrie finanzierte Forschung verlassen können, um diesem Problem auf den Grund zu gehen, ist umstritten und sei vielleicht am besten der persönlichen Entscheidung überlassen.
Eine gesunde Ernährung ist einer der Hauptfaktoren für die persönliche Gesundheit, und es gibt unzählige Studien, die diese Behauptung untermauern. Ein genauer Blick auf die Menge an Zucker, die wir unserem Körper zuführen, sei es bewusst oder durch die Lebensmittelindustrie verborgen, schadet uns sicherlich nicht. Wenn überhaupt, wird es unsere Gesundheit versüßen.
Verwandte Artikel:
10 Tage ohne Zucker – Studie zeigt, was dann im menschlichen Körper geschieht
Verweise:
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- https://www.medicalnewstoday.com/articles/319663.php
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